Grafisch-abstrakte Raumdarstellung mit Wänden und Statue aus Barcelonapavillon

Atmosphäre schaffen

Wie gestalten wir einen Raum mit Atmosphäre?

Es ist das, was gute Räume im Kern ausmacht: die Atmosphäre. Sie ist diffus und schwer zu beschreiben, aber wir erkennen atmosphärische Räume sofort, da wir uns in ihnen wohl fühlen, vielleicht sogar glücklich oder erhaben.

In einen atmosphärischen Raum fällt vielleicht Sonnenlicht durch grosse Fenster hinein, lässt zarten Blätterschatten über alten Parkettboden tanzen. Vielleicht riecht es ganz angenehm nach frischem Brot. Nebenan übt jemand Klavier oder draussen zwitschern die Vögel. Eventuell gibt es grosse Kissen, die weich und einladend aussehen. Ein atmosphärischer Raum kann aber auch ein Naturraum sein, mit frischem Waldgeruch und mystischen Nebelschwaden. Es gibt unzählige Möglichkeiten. Was macht ihn also aus?

Ein Raum mit Atmosphäre ist sinnlich erfahrbar. Er spricht nicht nur einzelne, sondern alle Sinne an und wird zu einem Erlebnis-Raum. Diese Sinnlichkeit ermöglicht eine Verankerung an diesem Ort, in diesem Moment. Es gibt Halt und erzeugt Tiefe.

Manche Räume haben schon natürlicherweise Atmosphäre, anderen fehlt sie. Wir können die Situation aber zumindest verbessern, indem wir Schritt für Schritt die einzelnen Sinneseindrücke durchgehen und analysieren. Als Beispiel nehme ich einen Ort, der besonders von seiner Atmosphäre lebt: ein Café.

1 – Was wir hören

In einem Café soll es nicht zu leise und nicht zu laut sein. Wir wollen die «richtigen» Geräusche hören: Das Klappern von Tassen und Tellern, das Mahlwerk und die Kaffeemaschine, Gespräche, Gelächter, Zeitungsknistern, gemütliche, unaufdringliche Musik. Vielleicht Stadtgeräusche von draussen. Das alles wird zu einem einzigen «Cafégeräusch». Wenn die Atmosphäre in unserem Beispiel fehlt, können wir also einmal diese Punkte durchgehen. Gibt es Tassen und Teller aus Porzellan oder Steingut, die klappern können? Ist die Oberfläche der Bar aus hartem Material, so dass die Geräusche entstehen können? Gibt es eine gute Kaffeemaschine und eine gute Mühle? Sie hört sich einfach anders an als ein Vollautomat. Gibt es Tageszeitungen, die Gäste mit zum Platz nehmen können? Gibt es Musik? Wie ist die Lautstärke? Stimmt die Musikauswahl? Die Gespräche und das Lachen der Gäste kann man nur indirekt beeinflussen. Aber gute Qualität und eine angenehme Atmosphäre können sicher helfen. Wichtig ist auch, was wir nicht hören wollen. Vielleicht gibt es störende Geräusche wie eine zu laut ins Schloss fallende Türe oder unpassende Musik.

2 – Was wir riechen

Natürlich wünschen wir uns in einem Café den Geruch von frisch gemahlenem Kaffee. Vielleicht auch Gebäck- oder Kuchen-Geruch, ein zarter (nicht aufdringlicher) Blumenduft und Druckerschwärze. Was wir ganz sicher nicht wollen, ist ein ekliger oder abgestandener Geruch. Wie können wir das in unserem imaginären Café umsetzen? Kaffee, Gebäck und Kuchen sind klar. Sie können nur duften, wenn es sie gibt. Der Blumenduft könnte von einem schönen grossen Blumenstrauss auf der Bar kommen oder von kleinen Blümchen auf jedem Tisch. Die Druckerschwärze kommt natürlich von den Zeitungen. Um die unangenehmen Gerüche zu verhindern, müssen alle Quellen beseitigt werden (Abfall schliessen, Abflüsse reinigen, Tische mit sauberen Lappen abwischen, Kellertüre schliessen etc.) und regelmässig gelüftet werden. Ein Raum mit Fenstern zum Öffnen ist hierbei viel angenehmer und atmosphärischer als ein technisch belüfteter Raum.

3 – Was wir fühlen

Die Tasse soll sich in der Hand und beim Trinken gut anfühlen, warm und mit einer angenehmen Oberfläche. Dazu kommt ein Tisch, der nicht zu kalt an den Armen ist, ein Stuhl oder eine Bank mit Kissen. Alles in seiner Haptik möglichst angenehm, gerne mit Struktur, aber nicht rau. Im Rücken mögen wir einen Schutz wie eine Wand oder eine hohe Rückenlehne. Es soll angenehm temperiert sein und nicht ziehen. In den Händen ist ein Menü aus Papier viel angenehmer als ein in Plastik eingeschweisstes.

Einige der Punkte könnten bei unserem Beispiel fehlen. Vielleicht würden schon ein paar Kissen oder eine andere Menükarte helfen, um dem Raum mehr Atmosphäre zu verleihen

4 – Was wir sehen

Unser meist dominanter Sinn kommt zum Schluss, denn wenn wir nur die optischen Verbesserungen umsetzen, bleibt es oberflächlich. Trotzdem ist der visuelle Eindruck von einem Raum natürlich extrem wichtig. In einem Café wünschen wir uns vielleicht einen hohen Raum mit viel Tageslicht, einem Ausblick nach draussen, im Zentrum eine lange Bar mit Blumen, Kuchen, Zeitungen. Dahinter entspannt-geschäftiges Treiben an der Kaffeemaschine, der Abwaschmaschine, der Kasse. Die Gestaltung kann sehr unterschiedlich sein, es braucht aber eine gewissen Kleinteiligkeit und Struktur, damit es gemütlich wirkt. Zu den Zentren (Bar) und Subzentren (Tische) soll die Kleinteiligkeit zunehmen. Dies gibt intuitiv Orientierung.

Die Innenraumgestaltung sollte irgendwie mit dem Gebäude harmonieren, ohne dass sie sich angleichen muss. Einer der wichtigsten Punkte ist neben den Fenstern der Boden. Ein grafisch gemusterter Fliesenboden erzeugt in einem Café beispielsweise auf einen Schlag eine besondere Atmosphäre, egal ob es historische oder zeitgenössische Fliesen sind. Ein wichtiger Aspekt bei der visuellen Atmosphäre ist zudem die Farbgestaltung. Auch hier ist sehr viel möglich, es kommt wieder auf das Gebäude an und welche spezifische Atmosphäre man erzeugen möchte. Akzente in verschiedenen Farben sorgen für eine lebendigere, verspieltere Atmosphäre, während neutrale Töne eher Gediegenheit erzeugen. Helle Farbtöne machen die Atmosphäre luftiger, dunkle geerdeter. Es kommt auf den Ort und das Gesamtkonzept an, das man erreichen möchte. 

Was könnte optisch störend sein für die Atmosphäre? Zu viel oder zu wenig Kleinteiligkeit sorgen für Überforderung bzw. Langeweile. Kleinteiligkeit zieht immer Aufmerksamkeit an. Am falschen Ort stört es die Orientierung und irritiert. Es fühlt sich ungemütlich an, wenn es unordentliche Ecken gibt, die für den Gast nichts zu bieten haben, und die Tische gleichzeitig lieblos leer sind. Wenn der Fokus auf den Tischen und der Bar liegt, zeigt dies  hingegen eine Wertschätzung dem Gast gegenüber. Dabei geht es auch um Schönheit – ein heute unterschätztes Prinzip, über das es bald einen eigenen Blogeintrag geben wird. Eine hochwertige Gestaltung, ein schöner Tisch mit Blumen und eine liebevoll gestaltete Menükarte sind Signale der Wertschätzung, die die Atmosphäre im Raum beeinflussen.

Umsetzung

Je nach Stadium des Projekts kann noch sehr viel beeinflusst werden oder nur noch wenig. Handlungsspielraum gibt es jedoch immer. Um bei unserem Café-Beispiel zu bleiben: Bezieht man die Atmosphäre schon sehr früh im Prozess ein, entscheidet man sich vielleicht für einen ganz anderen, geeigneteren Standort. Ist hingegen vieles schon gegeben, kann man zumindest mit kleinen Eingriffen etwas verbessern. Vielleicht kann man den Raum in einer bestimmten Farbe streichen, unschöne Ecken beseitigen und den Gästen mit kleinen Gesten Wertschätzung vermitteln. Ein angenehmer Raum schlägt sich in positiven Bewertungen und steigenden Kundenzahlen wieder, beeinflusst also direkt das Geschäft. So machen sich die Investitionen oft schon nach kurzer Zeit bezahlt.

Das hier durchgespielte Prinzip lässt sich auf alle Räume anwenden, egal ob privates Badezimmer, Multispace-Büro oder Museum. Bei geplanten, noch nicht umgesetzten Räumen können wir unsere Vorstellungskraft benutzen. Aufgrund dessen entscheiden wir uns vielleicht für ein anderes Material, eine andere Farbe, ein anderes Möbelstück

Ich wünsche viel Freude und Erfolg beim Ausprobieren.